N° 86-2004 / 30.06.2004

Brüssel, den 28.4.2004
K(2004) 1588

BESCHLUSS DER KOMMISSION - vom 28.4.2004

über die Durchführung von Verwaltungsuntersuchungen und Disziplinarverfahren

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN –

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

gestützt auf das Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften sowie auf die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften, festgelegt durch die Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates(1) , insbesondere auf Artikel 2 Absatz 3 und Artikel 30 des Anhangs IX des Statuts,

nach Anhörung des Statutsbeirats,

nach Anhörung der Personalvertretung,

in Erwägung nachstehender Gründe:

  1. Der Beschluss C(2002)540 der Kommission vom 19. Februar 2002 über die Durchführung von Verwaltungsuntersuchungen und Disziplinarverfahren muss durch neue Bestimmungen ersetzt werden, durch die die Regelung an die Anforderungen des neuen Statuts angepasst wird.
     
  2. Es müssen allgemeine Durchführungsbestimmungen für die Durchführung von Verwaltungsuntersuchungen festgelegt werden.
     
  3. Es müssen Anwendungsmodalitäten für Disziplinarverfahren festgelegt werden.
     
  4. Die neuen Funktionen des Untersuchungs- und Disziplinaramtes (IDOC), die in der Vertretung der Anstellungsbehörde vor dem Disziplinarrat bestehen, müssen Berücksichtigung finden; hierzu gilt es, den Leiter des IDOC oder seinen Stellvertreter zu benennen.
     
  5. Die Höchstdauer des Mandats des Vorsitzenden des Disziplinarrates sowie der ordentlichen und stellvertretenden Mitglieder muss auf drei Jahre verlängert werden.
     
  6. Die Unabhängigkeit des Disziplinarrates muss gestärkt werden, indem der Vorsitzende des Disziplinarrates aus dem Kreise der ehemaligen Beamten oder Mitglieder der europäischen Organe gewählt wird.
     
  7. Prävention und Transparenz im Disziplinarbereich müssen gewährleistet werden.
     
  8. Bei Verwaltungsuntersuchungen des IDOC muss dem Beschluss C(2003) 2247 der Kommission vom 9. Juli 2003 zur Einrichtung eines Fachgremiums für finanzielle Unregelmäßigkeiten Rechnung getragen werden; dieser Beschluss sieht vor, dass das Fachgremium gemäß Artikel 66 Absatz 4 der Verordnung (EG, Euratom) Nr.1605/2002 zum Vorliegen finanzieller Unregelmäßigkeiten und ihrer etwaigen Folgen Stellung zu nehmen hat.
     
  9. Nach Artikel 22 des Statuts müssen die im Disziplinarbereich vorgeschriebenen Förmlichkeiten auch bei einem Verfahren beachtet werden, das die finanzielle Haftung eines Beamten betrifft -

HAT FOLGENDE BESTIMMUNGEN ERLASSEN:

  • Kapitel I - Untersuchungs- und Disziplinaramt (IDOC)
  • Kapitel II - Verwaltungsuntersuchungen
    • Artikel 3 - Modalitäten für die Ausübung der Untersuchungsbefugnisse
    • Artikel 4 - Einleitung und Durchführung von Verwaltungsuntersuchungen
       
  • Kapitel III - Das Disziplinarverfahren
    • Artikel 5 - Anhörung im Sinne des Artikels 3 des Anhangs IX des Statuts
    • Artikel 6 - Vertretung der Anstellungsbehörde vor dem Disziplinarrat
       
  • Kapitel IV - Vorsitzender und Mitglieder des Disziplinarrates
    • Artikel 7 - Ernennung und Dauer des Mandats des Vorsitzenden und der Mitglieder
    • Artikel 8 - Schulung
       
  • Kapitel V - Prävention und Transparenz
  • Kapitel V - Prävention und Transparenz
  • Kapitel VI - Schlussbestimmungen
    • Artikel 11 - Aufhebung des Beschlusses C(2002)540 vom 19. Februar 2002
    • Artikel 12 - Tag des Inkrafttretens und Anwendbarkeit


       

Kapitel I
Untersuchungs- und Disziplinaramt (IDOC)

Artikel 1
IDOC

  1. Es wird ein Untersuchungs- und Disziplinaramt (nachfolgend "IDOC" genannt) errichtet.
     
  2. Das IDOC ist unmittelbar der Generaldirektion Personal und Verwaltung angegliedert. Sein Leiter hat den Rang eines Direktors.
     
  3. Angehörige des IDOC können nicht dem Disziplinarrat angehören.

Artikel 2
Aufgaben und Funktionen des IDOC

  1. Das IDOC führt Verwaltungsuntersuchungen durch. Unter "Verwaltungsuntersuchungen" im Sinne der vorliegenden Bestimmungen sind alle Maßnahmen zu verstehen, die von dem hierzu beauftragten Beamten vorgenommen werden, um den Sachverhalt festzustellen und gegebenenfalls zu ermitteln, ob gegen die Dienstpflichten, denen die Beamten der Kommission unterliegen, verstoßen wurde.

    Der Begriff Beamter bezeichnet in den vorliegenden Bestimmungen auch ehemalige Beamte, Bedienstete oder ehemalige Bedienstete im Sinne der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften.
     
  2. Das IDOC kann mit anderen Untersuchungen beauftragt werden, bei denen bestimmte Sachverhalte zu überprüfen sind, und zwar insbesondere im Rahmen der Artikel 24, 73 und 90 des Statuts.
     
  3. Das IDOC führt die Disziplinarverfahren für die Anstellungsbehörde durch.
     
  4. Das IDOC koordiniert die Präventionsmaßnahmen im Disziplinarbereich.

Kapitel II
Verwaltungsuntersuchungen

Artikel 3
Modalitäten für die Ausübung der Untersuchungsbefugnisse

  1. Der Leiter sowie die sonstigen Angehörigen des IDOC üben ihre Untersuchungsbefugnisse in Unabhängigkeit aus. Bei der Ausübung ihrer Befugnisse fordern sie keine Anweisungen an und nehmen auch keine Anweisungen entgegen. Sie können Schriftstücke anfordern, bei jeder Person, auf die das Statut Anwendung findet, Auskünfte einholen und Vor-Ort-Kontrollen vornehmen.
     
  2. Verwaltungsuntersuchungen werden gründlich und unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände durchgeführt; sie dauern so lange, wie es die Umstände und die Komplexität des Falles erfordern.
     
  3. Das IDOC kann sich von anderen Beamten oder spezialisierten Dienststellen unterstützen lassen.

Artikel 4
Einleitung und Durchführung von Verwaltungsuntersuchungen

  1. Eine Verwaltungsuntersuchung wird vom Generaldirektor für Personal und Verwaltung im Einvernehmen mit dem Generalsekretär entweder in eigener Initiative oder auf Ersuchen eines Generaldirektors oder des Leiters eines Dienstes eingeleitet.
     
  2. Vor Einleitung der Untersuchung wendet sich der Generaldirektor für Personal und Verwaltung an das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (nachstehend "OLAF" genannt), um sicherzugehen, dass das OLAF nicht bereits seinerseits eine Untersuchung vornimmt oder dies vorhat. Solange OLAF eine Untersuchung im Sinne der Verordnung Nr. 1073/99(2) durchführt, wird keine Verwaltungsuntersuchung gemäß Absatz 1 bezüglich derselben Tatsachen eingeleitet.
     
  3. In der Entscheidung zur Einleitung einer Verwaltungsuntersuchung werden der Leiter des IDOC oder ein anderer Beamter als verantwortlich für die Untersuchung benannt und Gegenstand und Tragweite der Untersuchung bestimmt; aufgrund der Entscheidung haben die mit der Untersuchung beauftragten Beamten anhand des Sachverhalts und der besonderen Umstände zu ermitteln, wo die Verantwortlichkeiten in der betreffenden Sache liegen, gegebenenfalls auch im Hinblick auf die individuelle Verantwortlichkeit der betreffenden Beamten.
     
  4. Lässt eine Verwaltungsuntersuchung erkennen, dass möglicherweise ein Beamter persönlich in eine Sache verwickelt ist, so wird dieser davon in Kenntnis gesetzt, es sei denn, dies beeinträchtigt den Ablauf der Untersuchung. Auf jeden Fall können beim Abschluss der Untersuchung keine Schlussfolgerungen, die sich namentlich auf einen Beamten beziehen, formuliert werden, ohne dass der Beamte in der Lage gewesen ist, zu sämtlichen ihn betreffenden Tatsachen Stellung zu nehmen. In den Schlussfolgerungen ist auf die betreffende Stellungnahme einzugehen.

    In Fällen, in denen aus ermittlungstechnischen Gründen absolute Gemeinhaltung gewahrt werden muss und Ermittlungsverfahren in der Zuständigkeit eines nationalen Gerichts in Anspruch genommen werden, kann der Generalsekretär im Einvernehmen mit dem Generaldirektor für Personal und Verwaltung beschließen, den Beamten zu einem späteren Zeitpunkt zur Stellungnahme aufzufordern. In diesem Fall kann kein Disziplinarverfahren eröffnet werden, so lange der Beamte nicht hat Stellung nehmen können.

    Werden nach Abschluss einer Verwaltungsuntersuchung gegen den Beamten, gegen den Anschuldigungen erhoben worden waren, keine Belastungsmomente aufrechterhalten, so wird die betreffende Verwaltungsuntersuchung durch Beschluss des Generaldirektors für Personal und Verwaltung eingestellt; der Generaldirektor setzt den Beamten schriftlich hiervon in Kenntnis. Der Beamte kann verlangen, dass der Beschluss in seine Personalakte aufgenommen wird.

    Die Einstellung der Verwaltungsuntersuchung hindert nicht, dass bei Bekanntwerden neuer Tatsachen die Untersuchung wieder eröffnet wird.
     
  5. Das IDOC legt dem Generaldirektor für Personal und Verwaltung einen Untersuchungsbericht vor; vorher hat das IDOC gegebenenfalls das Fachgremium für finanzielle Unregelmäßigkeiten gemäß dem Beschluss C(2003)2247 der Kommission vom 9. Juli 2003 konsultiert. In dem Bericht werden der Sachverhalt und die Umstände des Falles dargelegt; des weiteren wird in dem Bericht festgestellt, ob die auf die Situation anzuwendenden Vorschriften und Verfahren beachtet wurden; und es wird die etwaige individuelle Verantwortlichkeit bestimmt, unter Berücksichtigung erschwerender oder mildernder Umstände. Dem Bericht sind Kopien aller sachdienlichen Schriftstücke und Anhörungsprotokolle beizufügen.
     
  6. Der Generaldirektor für Personal und Verwaltung unterrichtet den Betroffenen über den Abschluss der Untersuchung, teilt ihm die Schlussfolgerungen des Untersuchungsberichts mit und übermittelt auf Wunsch alle Unterlagen, die unmittelbar mit den gegen den Beamten erhobenen Anschuldigungen im Zusammenhang stehen, soweit dies nicht dem Schutze der berechtigten Interessen Dritter entgegensteht.
     
  7. Ist dem Generaldirektor für Personal und Verwaltung ein Untersuchungsbericht des OLAF übermittelt worden, so kann er gegebenenfalls entweder das OLAF ersuchen, den Bericht zu vervollständigen, oder beschließen, selbst eine Verwaltungsuntersuchung einzuleiten, oder sofort ein Disziplinarverfahren einleiten oder das Verfahren ohne disziplinarische Folgen einstellen.

Kapitel III
Das Disziplinarverfahren

Artikel 5
Anhörung im Sinne des Artikels 3 des Anhangs IX des Statuts

  1. Der Beamte, der in Anwendung des Artikels 3 des Anhangs IX des Statuts gehört wurde, unterzeichnet das Anhörungsprotokoll oder übermittelt innerhalb von 15 Kalendertagen nach Erhalt des Protokolls seine Kommentare und Anmerkungen. Äußert sich der Beamte innerhalb dieser Frist nicht, so gilt, außer im Falle höherer Gewalt, das Protokoll als genehmigt.
     
  2. Hat die Anstellungsbehörde oder eine von dieser hierzu beauftragte Person im Anschluss an die Anhörung im Sinne des Artikels 3 des Anhangs IX des Statuts Gespräche mit bestimmten Personen zu führen, so wird dem betreffenden Beamten auf Wunsch eine Kopie der unterzeichneten Gesprächsprotokolle zugestellt, sofern die darin erwähnten Tatsachen in direktem Zusammenhang mit den gegen den Beamten ursprünglich erhobenen Anschuldigungen stehen.

Artikel 6
Vertretung der Anstellungsbehörde vor dem Disziplinarrat

  1. Die in Artikel 16 Absatz 2 des Anhangs IX des Statuts vorgesehene Vertretung der Anstellungsbehörde vor dem Disziplinarrat wird vom Leiter des IDOC oder seinem Stellvertreter ausgeübt.
     
  2. Ist zu einem dem Disziplinarrat vorgelegten Fall zuvor eine Verwaltungsuntersuchung durchgeführt worden, so können die daran beteiligten Beamten die Anstellungsbehörde nicht vor dem Disziplinarrat vertreten, werden aber gegebenenfalls als Zeugen vor den Disziplinarrat vorgeladen.

Kapitel IV
Vorsitzender und Mitglieder des Disziplinarrates

Artikel 7
Ernennung und Dauer des Mandats des Vorsitzenden und der Mitglieder

  1. Der Vorsitzende des Disziplinarrats, die ordentlichen Mitglieder und ihre Stellvertreter werden auf höchstens drei Jahre ernannt; das Mandat kann verlängert werden.
     
  2. Der Vorsitzende des Disziplinarrats wird unter den ehemaligen Beamten oder Angehörigen der europäischen Organe ausgewählt. Er erhält Tagegeld in Höhe von 1/22 des Grundgehalts eines Beamten der Besoldungsgruppe AD 16 Dienstaltersstufe 1.
     
  3. Der Stellvertreter des Vorsitzenden wird unter den AD-16- und AD-15-Beamten im aktiven Dienst ausgewählt, die die Funktion eines Generaldirektors oder stellvertretenden Generaldirektors ausüben.

Artikel 8
Schulung

Beamte, die zu Mitgliedern des Disziplinarrates ernannt werden, erhalten so bald als möglich nach ihrer Ernennung eine spezielle einführende Schulung.

Kapitel V
Prävention und Transparenz

Artikel 9
Leitfaden

Der Leitfaden mit einer Darstellung der Rechte und Pflichten der Beamten, der von ihnen einzuhaltenden Verhaltensregeln und der Folgen, die sich aus Pflichtverstößen ergeben können, sowie mit Beispielen für Fehlverhalten muss regelmäßig aktualisiert und allen Mitgliedern des Personals zugänglich gemacht werden.

Artikel 10
Bekanntgabe der Ergebnisse von Disziplinarverfahren

Die Entscheidungen der Anstellungsbehörde im Disziplinarbereich oder eine Zusammenfassung dieser Entscheidungen werden einmal jährlich veröffentlicht. Die Namen der betroffenen Beamten und alle anderen Angaben, anhand deren einzelne Beamte identifiziert werden könnten, werden dabei ausgelassen.

Kapitel VI
Schlussbestimmungen

Artikel 11
Aufhebung des Beschlusses C(2002)540 vom 19. Februar 2002

Der Beschluss C (2002)540 der Kommission vom 19. Februar 2002 über die Durchführung von Verwaltungsuntersuchungen und Disziplinarverfahren wird mit dem Inkrafttreten der vorliegenden Bestimmungen aufgehoben.

Artikel 12
Tag des Inkrafttretens und Anwendbarkeit

Vorliegende Bestimmungen treten am 1. Mai 2004 in Kraft; sie finden auf die Untersuchungen und Disziplinarverfahren Anwendung, die zu diesem Zeitpunkt bereits laufen.

Brüssel, den 28.4.2004.

___________________
Footnotes

(1) ABl. L 56 vom 4.3.1968, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 723/2004 (ABl. L 124 vom 27.4.2004, S. 1).

(2) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (ABl. L 136 vom 31.5.1999, S.1).
 

top

   Author: ADMIN IDOC