Brüssel, den 28.4.2004
K(2004) 1588
BESCHLUSS DER KOMMISSION -
vom 28.4.2004
über die Durchführung von Verwaltungsuntersuchungen und
Disziplinarverfahren
DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN –
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,
gestützt auf das Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften sowie
auf die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser
Gemeinschaften, festgelegt durch die Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr.
259/68 des Rates(1) , insbesondere auf Artikel 2 Absatz 3 und Artikel 30 des
Anhangs IX des Statuts,
nach Anhörung des Statutsbeirats,
nach Anhörung der Personalvertretung,
in Erwägung nachstehender Gründe:
- Der Beschluss C(2002)540 der Kommission vom 19. Februar 2002 über die
Durchführung von Verwaltungsuntersuchungen und Disziplinarverfahren muss
durch neue Bestimmungen ersetzt werden, durch die die Regelung an die
Anforderungen des neuen Statuts angepasst wird.
- Es müssen allgemeine Durchführungsbestimmungen für die Durchführung von
Verwaltungsuntersuchungen festgelegt werden.
- Es müssen Anwendungsmodalitäten für Disziplinarverfahren festgelegt
werden.
- Die neuen Funktionen des Untersuchungs- und Disziplinaramtes (IDOC),
die in der Vertretung der Anstellungsbehörde vor dem Disziplinarrat
bestehen, müssen Berücksichtigung finden; hierzu gilt es, den Leiter des
IDOC oder seinen Stellvertreter zu benennen.
- Die Höchstdauer des Mandats des Vorsitzenden des Disziplinarrates sowie
der ordentlichen und stellvertretenden Mitglieder muss auf drei Jahre
verlängert werden.
- Die Unabhängigkeit des Disziplinarrates muss gestärkt werden, indem der
Vorsitzende des Disziplinarrates aus dem Kreise der ehemaligen Beamten
oder Mitglieder der europäischen Organe gewählt wird.
- Prävention und Transparenz im Disziplinarbereich müssen gewährleistet
werden.
- Bei Verwaltungsuntersuchungen des IDOC muss dem Beschluss C(2003) 2247
der Kommission vom 9. Juli 2003 zur Einrichtung eines Fachgremiums für
finanzielle Unregelmäßigkeiten Rechnung getragen werden; dieser Beschluss
sieht vor, dass das Fachgremium gemäß Artikel 66 Absatz 4 der Verordnung
(EG, Euratom) Nr.1605/2002 zum Vorliegen finanzieller Unregelmäßigkeiten
und ihrer etwaigen Folgen Stellung zu nehmen hat.
- Nach Artikel 22 des Statuts müssen die im Disziplinarbereich
vorgeschriebenen Förmlichkeiten auch bei einem Verfahren beachtet werden,
das die finanzielle Haftung eines Beamten betrifft -
HAT FOLGENDE BESTIMMUNGEN ERLASSEN:
- Kapitel I - Untersuchungs- und Disziplinaramt (IDOC)
- Kapitel II - Verwaltungsuntersuchungen
- Artikel 3 - Modalitäten für die
Ausübung der Untersuchungsbefugnisse
- Artikel 4 - Einleitung und
Durchführung von Verwaltungsuntersuchungen
- Kapitel III - Das Disziplinarverfahren
- Artikel 5 - Anhörung im Sinne des
Artikels 3 des Anhangs IX des Statuts
- Artikel 6 - Vertretung der
Anstellungsbehörde vor dem Disziplinarrat
- Kapitel IV - Vorsitzender und Mitglieder des Disziplinarrates
- Artikel 7 - Ernennung und Dauer des
Mandats des Vorsitzenden und der Mitglieder
- Artikel 8 - Schulung
- Kapitel V - Prävention und Transparenz
- Kapitel V - Prävention und Transparenz
- Kapitel VI - Schlussbestimmungen
- Artikel 11 - Aufhebung des
Beschlusses C(2002)540 vom 19. Februar 2002
- Artikel 12 - Tag des Inkrafttretens
und Anwendbarkeit
Kapitel I
Untersuchungs- und Disziplinaramt (IDOC)
Artikel 1
IDOC
- Es wird ein Untersuchungs- und Disziplinaramt (nachfolgend "IDOC"
genannt) errichtet.
- Das IDOC ist unmittelbar der Generaldirektion Personal und Verwaltung
angegliedert. Sein Leiter hat den Rang eines Direktors.
- Angehörige des IDOC können nicht dem Disziplinarrat angehören.
Artikel 2
Aufgaben und Funktionen des IDOC
- Das IDOC führt Verwaltungsuntersuchungen durch. Unter
"Verwaltungsuntersuchungen" im Sinne der vorliegenden Bestimmungen sind
alle Maßnahmen zu verstehen, die von dem hierzu beauftragten Beamten
vorgenommen werden, um den Sachverhalt festzustellen und gegebenenfalls zu
ermitteln, ob gegen die Dienstpflichten, denen die Beamten der Kommission
unterliegen, verstoßen wurde.
Der Begriff Beamter bezeichnet in den vorliegenden Bestimmungen auch
ehemalige Beamte, Bedienstete oder ehemalige Bedienstete im Sinne der
Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der
Gemeinschaften.
- Das IDOC kann mit anderen Untersuchungen beauftragt werden, bei denen
bestimmte Sachverhalte zu überprüfen sind, und zwar insbesondere im Rahmen
der Artikel 24, 73 und 90 des Statuts.
- Das IDOC führt die Disziplinarverfahren für die Anstellungsbehörde
durch.
- Das IDOC koordiniert die Präventionsmaßnahmen im Disziplinarbereich.
Kapitel II
Verwaltungsuntersuchungen
Artikel 3
Modalitäten für die Ausübung der Untersuchungsbefugnisse
- Der Leiter sowie die sonstigen Angehörigen des IDOC üben ihre
Untersuchungsbefugnisse in Unabhängigkeit aus. Bei der Ausübung ihrer
Befugnisse fordern sie keine Anweisungen an und nehmen auch keine
Anweisungen entgegen. Sie können Schriftstücke anfordern, bei jeder
Person, auf die das Statut Anwendung findet, Auskünfte einholen und
Vor-Ort-Kontrollen vornehmen.
- Verwaltungsuntersuchungen werden gründlich und unter Berücksichtigung
aller belastenden und entlastenden Umstände durchgeführt; sie dauern so
lange, wie es die Umstände und die Komplexität des Falles erfordern.
- Das IDOC kann sich von anderen Beamten oder spezialisierten
Dienststellen unterstützen lassen.
Artikel 4
Einleitung und Durchführung von Verwaltungsuntersuchungen
- Eine Verwaltungsuntersuchung wird vom Generaldirektor für Personal und
Verwaltung im Einvernehmen mit dem Generalsekretär entweder in eigener
Initiative oder auf Ersuchen eines Generaldirektors oder des Leiters eines
Dienstes eingeleitet.
- Vor Einleitung der Untersuchung wendet sich der Generaldirektor für
Personal und Verwaltung an das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung
(nachstehend "OLAF" genannt), um sicherzugehen, dass das OLAF nicht
bereits seinerseits eine Untersuchung vornimmt oder dies vorhat. Solange
OLAF eine Untersuchung im Sinne der Verordnung Nr. 1073/99(2) durchführt,
wird keine Verwaltungsuntersuchung gemäß Absatz 1 bezüglich derselben
Tatsachen eingeleitet.
- In der Entscheidung zur Einleitung einer Verwaltungsuntersuchung werden
der Leiter des IDOC oder ein anderer Beamter als verantwortlich für die
Untersuchung benannt und Gegenstand und Tragweite der Untersuchung
bestimmt; aufgrund der Entscheidung haben die mit der Untersuchung
beauftragten Beamten anhand des Sachverhalts und der besonderen Umstände
zu ermitteln, wo die Verantwortlichkeiten in der betreffenden Sache
liegen, gegebenenfalls auch im Hinblick auf die individuelle
Verantwortlichkeit der betreffenden Beamten.
- Lässt eine Verwaltungsuntersuchung erkennen, dass möglicherweise ein
Beamter persönlich in eine Sache verwickelt ist, so wird dieser davon in
Kenntnis gesetzt, es sei denn, dies beeinträchtigt den Ablauf der
Untersuchung. Auf jeden Fall können beim Abschluss der Untersuchung keine
Schlussfolgerungen, die sich namentlich auf einen Beamten beziehen,
formuliert werden, ohne dass der Beamte in der Lage gewesen ist, zu
sämtlichen ihn betreffenden Tatsachen Stellung zu nehmen. In den
Schlussfolgerungen ist auf die betreffende Stellungnahme einzugehen.
In Fällen, in denen aus ermittlungstechnischen Gründen absolute
Gemeinhaltung gewahrt werden muss und Ermittlungsverfahren in der
Zuständigkeit eines nationalen Gerichts in Anspruch genommen werden, kann
der Generalsekretär im Einvernehmen mit dem Generaldirektor für Personal
und Verwaltung beschließen, den Beamten zu einem späteren Zeitpunkt zur
Stellungnahme aufzufordern. In diesem Fall kann kein Disziplinarverfahren
eröffnet werden, so lange der Beamte nicht hat Stellung nehmen können.
Werden nach Abschluss einer Verwaltungsuntersuchung gegen den Beamten,
gegen den Anschuldigungen erhoben worden waren, keine Belastungsmomente
aufrechterhalten, so wird die betreffende Verwaltungsuntersuchung durch
Beschluss des Generaldirektors für Personal und Verwaltung eingestellt;
der Generaldirektor setzt den Beamten schriftlich hiervon in Kenntnis. Der
Beamte kann verlangen, dass der Beschluss in seine Personalakte
aufgenommen wird.
Die Einstellung der Verwaltungsuntersuchung hindert nicht, dass bei
Bekanntwerden neuer Tatsachen die Untersuchung wieder eröffnet wird.
- Das IDOC legt dem Generaldirektor für Personal und Verwaltung einen
Untersuchungsbericht vor; vorher hat das IDOC gegebenenfalls das
Fachgremium für finanzielle Unregelmäßigkeiten gemäß dem Beschluss
C(2003)2247 der Kommission vom 9. Juli 2003 konsultiert. In dem Bericht
werden der Sachverhalt und die Umstände des Falles dargelegt; des weiteren
wird in dem Bericht festgestellt, ob die auf die Situation anzuwendenden
Vorschriften und Verfahren beachtet wurden; und es wird die etwaige
individuelle Verantwortlichkeit bestimmt, unter Berücksichtigung
erschwerender oder mildernder Umstände. Dem Bericht sind Kopien aller
sachdienlichen Schriftstücke und Anhörungsprotokolle beizufügen.
- Der Generaldirektor für Personal und Verwaltung unterrichtet den
Betroffenen über den Abschluss der Untersuchung, teilt ihm die
Schlussfolgerungen des Untersuchungsberichts mit und übermittelt auf
Wunsch alle Unterlagen, die unmittelbar mit den gegen den Beamten
erhobenen Anschuldigungen im Zusammenhang stehen, soweit dies nicht dem
Schutze der berechtigten Interessen Dritter entgegensteht.
- Ist dem Generaldirektor für Personal und Verwaltung ein
Untersuchungsbericht des OLAF übermittelt worden, so kann er
gegebenenfalls entweder das OLAF ersuchen, den Bericht zu
vervollständigen, oder beschließen, selbst eine Verwaltungsuntersuchung
einzuleiten, oder sofort ein Disziplinarverfahren einleiten oder das
Verfahren ohne disziplinarische Folgen einstellen.
Kapitel III
Das Disziplinarverfahren
Artikel 5
Anhörung im Sinne des Artikels 3 des Anhangs IX des Statuts
- Der Beamte, der in Anwendung des Artikels 3 des Anhangs IX des Statuts
gehört wurde, unterzeichnet das Anhörungsprotokoll oder übermittelt
innerhalb von 15 Kalendertagen nach Erhalt des Protokolls seine Kommentare
und Anmerkungen. Äußert sich der Beamte innerhalb dieser Frist nicht, so
gilt, außer im Falle höherer Gewalt, das Protokoll als genehmigt.
- Hat die Anstellungsbehörde oder eine von dieser hierzu beauftragte
Person im Anschluss an die Anhörung im Sinne des Artikels 3 des Anhangs IX
des Statuts Gespräche mit bestimmten Personen zu führen, so wird dem
betreffenden Beamten auf Wunsch eine Kopie der unterzeichneten
Gesprächsprotokolle zugestellt, sofern die darin erwähnten Tatsachen in
direktem Zusammenhang mit den gegen den Beamten ursprünglich erhobenen
Anschuldigungen stehen.
Artikel 6
Vertretung der Anstellungsbehörde vor dem Disziplinarrat
- Die in Artikel 16 Absatz 2 des Anhangs IX des Statuts vorgesehene
Vertretung der Anstellungsbehörde vor dem Disziplinarrat wird vom Leiter
des IDOC oder seinem Stellvertreter ausgeübt.
- Ist zu einem dem Disziplinarrat vorgelegten Fall zuvor eine
Verwaltungsuntersuchung durchgeführt worden, so können die daran
beteiligten Beamten die Anstellungsbehörde nicht vor dem Disziplinarrat
vertreten, werden aber gegebenenfalls als Zeugen vor den Disziplinarrat
vorgeladen.
Kapitel IV
Vorsitzender und Mitglieder des Disziplinarrates
Artikel 7
Ernennung und Dauer des Mandats des Vorsitzenden und der Mitglieder
- Der Vorsitzende des Disziplinarrats, die ordentlichen Mitglieder und
ihre Stellvertreter werden auf höchstens drei Jahre ernannt; das Mandat
kann verlängert werden.
- Der Vorsitzende des Disziplinarrats wird unter den ehemaligen Beamten
oder Angehörigen der europäischen Organe ausgewählt. Er erhält Tagegeld in
Höhe von 1/22 des Grundgehalts eines Beamten der Besoldungsgruppe AD 16
Dienstaltersstufe 1.
- Der Stellvertreter des Vorsitzenden wird unter den AD-16- und
AD-15-Beamten im aktiven Dienst ausgewählt, die die Funktion eines
Generaldirektors oder stellvertretenden Generaldirektors ausüben.
Artikel 8
Schulung
Beamte, die zu Mitgliedern des Disziplinarrates ernannt werden, erhalten
so bald als möglich nach ihrer Ernennung eine spezielle einführende
Schulung.
Kapitel V
Prävention und Transparenz
Artikel 9
Leitfaden
Der Leitfaden mit einer Darstellung der Rechte und Pflichten der Beamten,
der von ihnen einzuhaltenden Verhaltensregeln und der Folgen, die sich aus
Pflichtverstößen ergeben können, sowie mit Beispielen für Fehlverhalten
muss regelmäßig aktualisiert und allen Mitgliedern des Personals
zugänglich gemacht werden.
Artikel 10
Bekanntgabe der Ergebnisse von Disziplinarverfahren
Die Entscheidungen der Anstellungsbehörde im Disziplinarbereich oder eine
Zusammenfassung dieser Entscheidungen werden einmal jährlich
veröffentlicht. Die Namen der betroffenen Beamten und alle anderen
Angaben, anhand deren einzelne Beamte identifiziert werden könnten, werden
dabei ausgelassen.
Kapitel VI
Schlussbestimmungen
Artikel 11
Aufhebung des Beschlusses C(2002)540 vom 19. Februar 2002
Der Beschluss C (2002)540 der Kommission vom 19. Februar 2002 über die
Durchführung von Verwaltungsuntersuchungen und Disziplinarverfahren wird
mit dem Inkrafttreten der vorliegenden Bestimmungen aufgehoben.
Artikel 12
Tag des Inkrafttretens und Anwendbarkeit
Vorliegende Bestimmungen treten am 1. Mai 2004 in Kraft; sie finden auf
die Untersuchungen und Disziplinarverfahren Anwendung, die zu diesem
Zeitpunkt bereits laufen.
Brüssel, den 28.4.2004.
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Footnotes
(1) ABl. L 56 vom 4.3.1968, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG,
Euratom) Nr. 723/2004 (ABl. L 124 vom 27.4.2004, S. 1).
(2) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai
1999 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung
(ABl. L 136 vom 31.5.1999, S.1).
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